Geschichte der südlichen Friedrichstadt nach dem 2. WK

Beitrag von Sakina Elkhazein, Steven Nebel und Anna Volkmer

Bereits vor dem 2. Weltkrieg war die südliche Friedrichstadt nicht nur ein Gewerbe- und Handelsstandort, sondern bot in den Gründerzeitbauten auch Wohnraum für viele tausend Menschen.

Jedoch zogen sich die Wiederaufbauarbeiten nach der großflächigen Kriegszerstörung hin und durch den Mauerbau wurde das Stadtgebiet unattraktiv für Investoren. Außerdem lagen die Prioritäten der Behörden auf der Weiterentwicklung der noch gut erhaltenen Gründerzeitviertel bzw. auf dem Bau von effizienten Großsiedlungen. Erst durch die IBA, welche sich diesem Westberliner Stadtteil annahm, wurde wieder ein Stadtgefüge geschaffen.

Situation in Berlin nach 1945

In den ersten Nachkriegsjahren wurden schrittweise drei übergreifende Wiederaufbaupläne für Berlin entwickelt: der Kollektivplan, der Zehlendorfer Plan und der Bonatz Plan. Der Wohnungsbau konzentrierte sich währenddessen auf die Instandsetzung der wiederaufbaufähigen Gebäude. Die Pläne reichten von radikaler Erneuerung bis zum pragmatischen Wiederaufbau. Allen Planungen war gemein, dass das Stadtbild vor allem aufgelockert werden sollte. Der Bonatz Plan, als letzter gesamtstädtischer Plan für Berlin vorgestellt, diente inhaltlich als Grundlage für die weitere Stadtplanung. Der private Autoverkehr und die Verkehrsplanung standen klar im Vordergrund. Ein System aus Ring- und Radialstraßen sollte den Verkehr leiten und die Stadt strukturieren. Dies wurde 1950 im Flächennutzungsplan aufgegriffen. Stete Anpassung und Weiterentwicklung sollte möglich bleiben. Die südliche Friedrichstadt wurde in diesen Plänen zumeist als zentrales Gebiet ausgewiesen, vorgesehen als Dienstleistungs- und Verwaltungsstandort.

Flächennutzungspläne nach der Teilung Berlins

Nach dem zweiten Weltkrieg ähnelte das städtebauliche Grundgerüst nur noch geringfügig dem Vorkriegs-Berlin. Die Stadt war zerstört und in 4 Sektoren geteilt. Diese neuen Voraussetzungen veränderten Berlin nicht nur politisch sondern auch städtebaulich. So trennte der Bau der Mauer im Jahr 1961 die Stadt schließlich auch physisch. Besonders betraf das die Friedrichstadt, die an der Zimmermannstraße entzweit und zum Grenzgebiet wurde.
Während der Zeit der Teilung entstanden zwei Bau- bzw. Flächennutzungspläne. Im Jahr 1961 entstand ein Baunutzungsplan für Westberlin der sich aber in der Konzeption auf Gesamt-Berlin bezog. Im Mittelpunkt der Planungen standen die Beschaffung von Arbeitsplätzen und die Bereitstellung von Wohnraum. Darauf basierend wurden Wiederaufbaumaßnahmen an Einzelgebäuden und Gebäudekomplexen vorgenommen, sowie mit der Schließung von Baulücken begonnen. Mit dem Flächennutzungsplan von 1965 sollte in Fortführung des Baunutzungsplans von 1961 die Innenstadt aufgelockert, die Außenräume verdichtet und eine Funktionstrennung erreicht werden. Dabei stand die Entstehung eines polyzentrischen Kerngebiets mit vielen Nebenkernen im Mittelpunkt, das für Geschäfts- und Bürohäuser, Ladengeschäfte, kulturelle Einrichtungen und Hotels ausgewiesen war, sowie die Verkehrsplanung, die der steigenden Motorisierung entgegenwirken sollte und die damit verbundene Entlastung durch die öffentlichen Verkehrsmittel.
Auch die Friedrichstadt war bis 1984 als Kerngebiet gekennzeichnet und erst im Flächennutzungsplan 1984 in eine Wohnbaufläche mit Grünflächen umgewidmet worden. Damit wurde die rechtliche Voraussetzung für die Tätigkeiten der IBA-Neu geschaffen.

Bauprojekte in der südlichen Friedrichstadt

In der Friedrichstadt waren vor dem Krieg zahlreiche Betriebe, Dienstleistungs- und Handelseinrichtungen angesiedelt. Nach dem Krieg wurden die erhaltenen Geschäftsgebäude hauptsächlich von Gewerbebetrieben übernommen. Außerdem siedelte sich neben dem Axel-Springerverlag auch der Ullsteinverlag im ehemaligem Zeitungsviertel an der Ecke Lindenstraße/ Junkerstraße an.
Doch die Mauersituation verhinderte eine großflächige Ansiedlung und es entstanden einige Solitäre zwischen den Brachflächen ohne konzeptionellen Zusammenhang. Auch die teilweise noch vorhandenen Altbauten standen hauptsächlich ohne Anbindung „verloren“ im Stadtraum. Die Brachflächen dienten als Lagerraum, Parkplatz oder verwilderten und boten mit ihrer üppigen Vegetation die einzigen Grünräume im Stadtteil.
An der Friedrichstraße, der Wilhelmstraße und der Hedemannstraße wurden einige Sozialwohnungsbauten errichtet, die sich zum Teil an den alten Baufluchten und der Gebäudehöhe der noch vorhandenen Häuser orientierten, teilweise aber auch bewusst damit brachen. So entstanden insgesamt weitere 4 400 Wohneinheiten, hauptsächlich durch die Hochhausbebauung am Mehringplatz.
Durch den Bau der Mauer ging die Funktion der Friedrichstraße als Nord-Süd-Achse von gesamtstädtischer Bedeutung verloren und die Straßen dienten lediglich der Erschließung der südlichen Friedrichstadt.

Dagegen gewannen die Ost-West-Verbindungen für den Durchgangsverkehr an Bedeutung, um das City-Band im Westen mit den Wohngebieten in Kreuzberg und Neukölln zu verbinden.
Im Rahmen der Planung einer Stadtautobahn sollte auf dem Oranienplatz ein Autobahnkreuz entstehen, dessen Ost-West-Tangente durch die südliche Friedrichstadt nördlich des Mehringplatzes verlaufen sollte. Statt der geplanten Autobahntrasse entstand die Franz-Klühs-Straße. Um dem erhöhten Verkehrsaufkommen gerecht zu werden, wurden einige Profilverbreiterungen durchgeführt.

Neubebauung am Mehringplatz

Der frühere Belle-Alliance-Platz wurde um 1730 im Rahmen der barocken Stadterweiterung als Rondell errichtet und bildete den Abschluss der Residenzstadt Berlin. Der heutige Mehringplatz mit seiner stadträumlich markanten runden Form bildete den Sammelpunkt der Ausfallstraßen Wilhelm-, Friedrich- und Lindenstraße. In Richtung Stadt gingen die Straßen fächerförmig auseinander.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Platz als „total zerstört“ eingestuft und diente bis in die 60er Jahre lediglich als Verkehrsknotenpunkt.
Die ersten Ideen für den Wiederaufbau des Platzes gab es im Rahmen des Wettbewerbes „Hauptstadt Berlin“ 1957-58. 1968 wurde der Architekt Werner Düttmann mit der Realisierung nach den Entwürfen Hans Scharouns betraut. Da das Projekt den Vorgaben des sozialen Wohnungsbaus gerecht werden musste, wurde die Dichte der Bebauung erhöht. Die historische Kreisform des Platzes wurde beibehalten und durch zwei abgestufte Gebäuderinge umschlossen.

Die Gebäude des äußeren Gebäuderinges sind in einem zum Landwehrkanal offenen Halbkreis angeordnet. Die 18-stöckigen Hochhausgebäude an der Franz-Klühs-Straße sollten eine Abschottung zur geplanten Autobahntrasse bilden. (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2007, S. 26) Der Bau des Projektes begann 1969 und wurde 1974 fertig gestellt.
Die Linden- und Wilhelmstraße wurden am Platz vorbei direkt auf das Hallesche Ufer geführt. Die Friedrichstraße endete auf der Mitte des Platzes, war jedoch nur noch bis zur Franz-Klühs-Straße für den motorisierten Verkehr nutzbar.

Die IBA in der südlichen Friedrichstadt

Bis zur IBA war von der südlichen Friedrichstadt nicht mehr viel zu erahnen. Gerade dieses Gebiet stellte eine Herausforderung für die kritische Rekonstruktion dar, eines der Ziele der IBA-Neu unter der Leitung von Josef Paul Kleihues. Unter der Berücksichtigung der historischen Blockstruktur sollten Baulücken geschlossen und die zahlreichen Brachen revitalisiert werden. Die Innenstadt war als Wohnort gedacht. Die Individualität der Wohnungen erhielt einen neuen Stellenwert und künstlerisch-anspruchsvolle und gleichzeitig sozial ausgerichtete Architektur sollten miteinander verbunden werden. So wurde der durch die Sanierungsprogramme in den 60er Jahren eingeleitete Funktionswandel des Stadtteils vom historischen Zentrum hin zum ruhigen Wohnort fortgesetzt.
Letztlich wurde das Ergebnis der IBA jedoch durch die historischen Umstände der Wiedervereinigung in den Hintergrund gedrängt.

Fazit

Die neue Situation nach Mauerfall und Wiedervereinigung erfordert einen behutsamen Umgang mit den vielfältigen Bauten unterschiedlichster Epochen, welche es in ein Stadtgefüge einzubinden und zu einem Innenstadtbereich zu entwickeln gilt. Durch die Wiedergewinnung des alten Berliner Zentrums um die Friedrichstraße und die Straße unter den Linden kann auch die Friedrichstadt wieder mehr dieser Zentrumsfunktion zugeführt werden mit diversen Kultureinrichtungen, wie dem jüdischem Museum, Handel, Dienstleistung und Büronutzung. Jedoch sollte dies immer unter Berücksichtigung der vorhandenen Wohnbebauung geschehen.

Weiterführende Literatur

Aust, Bruno; Berliner Pläne 1862-1994; 1. Auflage; Kraft Druck und Verlag GmbH, Ettlingen; Berlin 2002

Eichelberger, Ursula; Berlin, Berlin, Berlin. Urteile, Fehlurteile, Schilderungen, Zitate aus rund dreihundert Jahren, Berlin o.J.

Fischer, Wolfgang Georg; Die Mauer, Monumente des Jahrhunderts; 1. Auflage; Druckerei Ludwig Vogt, Berlin; Berlin 1990
Flemming, Thomas; Die Berliner Mauer, Geschichte einer politisches Bauwerks; 1. Auflage; be.bra Verlag GmbH, Berlin-Brandenburg; Berlin 2004

Guratzsch, Dankwart; Das NEUE Berlin. Konzepte der Internationalen Bauausstellung 1987 für einen Städtebau mit Zukunft, Berlin 1987

Internationale Bauausstellung Berlin (Hrsg.); Die Neubauprojekte – Dokumente, Projekte; Erste Projekte – Katalog einer Ausstellung 1981; Quadriga GmbH Verlagsbuchhandel KG; Berlin 1981

Internationale Bauausstellung Berlin(Hrsg.); Leitfaden – Projekte, Daten, Geschichte; Senator für Bau- und Wohnungswesen; Berlin 1984

Internationale Bauausstellung Berlin (Hrsg.); Wohnen in der Friedrichstadt – Internationaler städtebaulicher Entwurf; Bauausstellung Berlin GmbH; Berlin 1980

Schwenk, Herbert; Berliner Stadtentwicklung von A bis Z; 2. Auflage; Luisenstädtischer Bildungsverein e. V.; Berlin 1998

Senator für Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.); Die Berliner Straße; Senator für Bau- und Wohnungswesen; Berlin 1975

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung(Hrsg.); Südliche Friedrichstadt, Leitbilder und Strategien für den Kreuzberger Teil der historischen Mitte von Berlin – Arbeitsbericht; 1. Auflage; Oktoberdruck AG, Berlin; Berlin 2007

Internet

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Luisenstädtischer Bildungsverein (Hrsg); Bonatzplan, http://berlingeschichte.de/stadtentwicklung/texte/articles/5_04_bonapl (Zugriff am 18.12.2010)

Luisenstädtischer Bildungsverein (Hrsg); Kriegszerstörungen, http://berlingeschichte.de/stadtentwicklung/texte/articles/5_01_kriegsz. (Zugriff am 23.12.2010)

Luisenstädtischer Bildungsverein (Hrsg); Zehlendorfer Plan, http://berlingeschichte.de/stadtentwicklung/texte/articles/5_03_zehlenpl (Zugriff am 18.12.2010)