Beitrag von Marina Bereri
• Lage: Ritterstraße 55–60B, Lindenstraße 30–31 und 36–37, Alte Jakobstraße 120A–121, Feilnerstraße 1–4 und 8–15, Oranienstraße 99–105, Südliche Friedrichstadt
• Bauherr: Sportanlagen KG A. Guttmann GmbH & Co/Wohnen in der S.F. Beteilungsgesellschaft mbH & Co/Kaufhaus Merkur Grundstücks GmbH
• Architekten: Dietrich Bangert, Bernd Jansen, Stefan Scholz, Axel Schultes, Eckhard Feddersen, Wolfgang v. Herder & Partner, Joachim Ganz, Walter Rolfes, Barbara Benzmüller, Wolfang Wörner, Rob Krier (Kontaktarchitekt Klaus Kammann), Andreas Brandt, Thomas Heiß, Axel Liepe, Hartmut Steigelmann, Urs Müller, Thomas Rhode & Partner
• Baujahr: 1983 (Block 31), 1988 (Block 28)
Das Gelände der heutige Wohnanlage wurde in der Nachkriegszeit abgeräumt. Von den ehemaligen Bebauung der Blöcke wurde nur die Gebäude der ehemalige Reichsschuldenverwaltung und der ehemaligen Geschäftshäuser „Der Merkur“ und „Handelsstätte Lindenhaus“ geblieben. Die Grundstücke wurden teilweise als Parkplätze gedient.
In der 70er Jahre hatte die Senat für Bau- und Wohnungswesen eine neuen stadtentwicklungspolitische Initiative für diesen Bereich beschlossen. 1977 wurde eine städtebauliche Rahmenplanung entwickelt, die eine Mischung von Wohngebäuden und Gewerbefläche vorgesehen hatte. Der Architekt Rob Krier der Universität Wien hatte eine städtebauliche Studie anhand dieser Rahmenplanung vorgestellt, unter Berücksichtigung der vor dem Krieg Gestaltung des Bezirks. Die neue Bebauung der Blöcke wurde auf dieser Studie gegründet.
Der Baubeginn des Blocks 31 im Jahr 1982 bedeutete die Realisierung der Studie Kriers und der Block wurde schon 1983 fertiggestellt und einbezogen. Im Block 28 wurde am Anfang seitens der IBA die Unterbringung des Ersatzbaus der Franziskus Krankenhaus in der ehemaligen Reichsschuldenverwaltung oder die Errichtung eines Neubaus dafür gefördert. Nach genauen Überlegungen wurde schließlich dieser Planung ungeeignet beurteilt. Die ursprüngliche Konzeption Kriers wurde für das gesamten Gelände bevorzugt. Die Errichtung des Blocks 28 wurde 1986 begonnen und 1988 fertiggestellt. Das Projekt Wohnanlage Ritterstraße-Nord im östlichen Teil der Südliche Friedrichstadt umfasst 35 Mehrfamilienhäuser mit 314 Wohnungen.
Im Landesarchiv und im Bauaktenkammer Kreuzbergs waren entsprechenden Akten von den Jahren 1979 bis 1987 zu finden. Da es um Neubauten handelt, beinhalten die meisten Akten Vermessungsunterlagen, Berechnungen und Heizkostenabrechnung, sowie die gesamte Pläne der Gebäuden. Die Akten teilen sich in Block 28 und 31, da für jedes Block das Bauvorhaben getrennt geführt hat.
Block 28
Im Block 28 Linden- und Oranienstraße, entstehen, gefördert durch das Land Berlin, 168 Wohnungen im sozialen Mietwohnungsbau; davon:
• 18 ½ -Zimmer Wohnungen
• 37 2-Zimmer Wohnungen
• 4 2-Zimmer behindertengerechte Wohnungen
• 54 3-Zimmer Wohnungen
• 2 3-Zimmer behindertengerechte Wohnungen
• 10 3 ½-Zimmer Wohnungen
• 19 4-Zimmer Wohnungen
• 19 5-Zimmer Wohnungen
• 2 5-Zimmer-Maisonettewohnungen
• 2 6-Zimmer-Maisonettewohnumgen
• 1 8-Zimmer behindertengerechte Wohnungen als Gemeinschaftswohnung
Die Wohnungen sind jeweils mit Terrassen, Loggia, Balkon oder Wintergarden ausgestattet. Desweiteren 9 Laden und 104 Wageneinstellplätze.
Architekten:
• Haus 1, 6, 12: Barbara Benzmüller und Manfred Wörner
• Haus 2 und Ehem. Kaufhaus Merkur: Feddersen, von Herder & Partner
• Haus 3: Axel Liepe und Hartmut Steigelmann
• Haus 4, 5: Bangert, Jansen, Scholz, Schuttes
• Haus 7: Urs Müller und Thomas Rhode
• Haus 8, 9: Joachim Ganz, Walter Rolfes,
• Haus 10, 11: Rob Krier (Entwurf), Klaus Kamann (Ausführungsplanung)
• Städtebauliche Konzeption: Rob Kier
• Koordination: Feddersen, von Herder & Partner
• Landschafsplanung: Halfman und Zillich
• Bauherr: Kaufhaus Merkur Grundstücksgesellschaft mbH & Co
• Generalübernehmer: Klingbeil Wohnbauten GmbH
• Baubetreuung und Bauleitung: Intertec, Ingenieurgesellschaft für Hochbau mbh
• Vermietung: GSW Berlin
• Gewerbevermietungen: AMCO Immobilien GmbH
• Statik: Ing.-Büro Hildebrandt und Sieber
• Prüfsstatik: Wurl/C
• Bodengutachten: Deutsche Forschungsgesellschaft für Bodentechnik
• Fach-Ing Heizung, Sanitär: IGB
• Vermessung: Herbert und Haralg Zech
• Akustik: Holl
Der Block 28 wurde anfangs für den Ersatzbau des Franziskus Krankenhauses untersucht worden aber aus zwei Gründen abgesagt. Erstens war die Unterbringung in das Gebäude der ehemaligen Reichsschuldenverwaltung geeigneter für Körperschaften des Finanzamtes. Zweitens musste die Randbebauung auf den Grundstücke Oranienstraße 106–109, Alte Jakobstraße 120–117, Feilnerstraße 6–5 von früher aus denkmalpflegerischen Gründen erhalten werden und das war für eine Neubaulösung nicht nötig. Obwohl es um eine günstige Lage in die Nähe mit Wohnungsgebiete handelte, bot nicht viel Grün und Parkplätze, sowie einen Abriss des Gebäudes Lindenstraße 32–34 vorgesehen war. Der Ersatzbau wurde außerhalb von IBA Gebiete errichtet.
Das Grundstück wurde danach für die Bebauung sozialgerechte Wohnungen untersucht. Das stadträumliche Gesamtkonzept, entwickelt von Rob Krier im Jahre 1977 war die Grundlage für die Planung des Blocks 28. Die städtebauliche Figur bildete ein Spiegelbild des Blockes 33 mit verlängerter Orientierungssache an der Feilnerstraße. Die Blockrandbebauung an der Lindenstraße und Oranienstraße , mit einer torartigen Öffnung zur Oranienstraße, umschloss zwei begrünte Innenhöfe mit Spiel- und Bewegungsflächen, die von einer promenadenartigen Achse getrennt waren und somit die Fortführung der Nord-Süd-Grünweg-Verbindung gewährleisteten. Für IBA war besonders wichtig die Komplettierung der gesamten Stadtkante, da es um einen Herzstück handelte. Die umfassende Abstimmung zur Planung ging sehr langsam wegen Probleme bei den Grundstückserwerb und mit der Wechsel der Leitung des Senats. Das Förderungsprogramm und der Baubeginn wurde 1986 aufgenommen und es konnte nicht rechtzeitig für IBA 87 fertig sein.
Der Bauantrag zwischen Kaufhaus Merkur Grundstücksgesellschaft mbH & Co Friedrichstadt KG und Bauaufsichtsamt Kreuzberg wurde 15.10.85 geschlossen. Die Baugenehmigung vorsah 169 Wohnungen, 1.367 m² Gewerbefläche, 108 Stellplätze in Tiefgarage. Das Bauvorhaben sollte für die Ausstellung 1987 fertiggestellt sein. Die Gesamtbaukosten betrug 37 Mio. DM, die Rohbaukosten 20 Mio. DM. Die allgemeine Baubeschreibung, die als Anlage zum Bauantrag enthalten ist, lautet wie folgenden:
Das geplante Bauvorhaben ist der nördliche Teilbereich eines zusammenhängenden Bebauungskonzepte zwischen dem Garten des Berlin-Museums und der Oranienstraße, dessen andere Teilbereiche schon realisiert sind. Hinsichtlich seiner engen Verknüpfung mit der angrenzenden Wohnbebauung Ritterstraße-Nord handelt es sich um den II Bauabschnitt dieser im Jahre 1983 fertiggestellt Wohnanlage.
Das vorliegend Projekt nimmt die Leitidee für den gesamten Neubaubereich auf:
• Wiederherstellung eines funktionsfähigen Stadtraumes durch Rekonstruktion der Blockrandbebauung an Oranienstraße, Lindenstraße und Feilnerstraße.
• Teilung des Großblockes durch eine Nord-Süd-Grünwegverbindung, dadurch entstehen überschaubare Baublöcke.
Für das Projekt bedeutet dies im einzelnen:
• Fortführung der „Nord-Süd-Grünwegverbindung“ mit einer begleitenden „intimen“ Wohnbebauung (4-geschosse mit Dach) bis zur Oranienstraße, Ausbildung der Feilnerstraße als Wohnstraße (3-geschosse und Dachgeschoss), Formulierung eines Quartiermittelpunktes durch Platzbildung im Kreuzungspunkte der o.g. Bebauung.
• Komplettierung des Quartiers und Abgrenzung zur Oranienstraße und Lindenstraße: 6 Geschosse, großstädtische Blockrandbebauung mit Wohnen und einem 1 Geschoss (um nutzbar auf 2 Geschosse) Angebot für Handel und Dienstleistungen in den unteren Geschossen zur Oranienstraße, 6-geschosse Blockrandbebauung mit Wohnen und Laden- und Dienstleistungsflächen im EG zur Lindestraße hin.; diese Nutzungsausweisung folgt dem Änderungsverfahren zum gültigen Flächennutzungsplan.
• Baulicher Anschluss an die bestehenden Altbauten: die Rohbauruine des ehemaligen Kaufhauses Merkur, Lindenstr. 32 und das Gebäude der ehemaligen Reichsschuldenverwaltung, Oranienstraße 106–109, Feilnerstraße 5–6.
• Fortsetzung der Materialwahl des Blockes 31. Im Außenbereich Oranienstraße und Lindenstraße rotes Ziegelmauerwerk, im Inneren Putzoberflächen.
• Die Dächer aller Gebäude im Innenbereich sind geneigt und in Zink ausgeführt, die Dächer im Randbereich flach.
• Die Ruine des Kaufhauses Merkur ist grundbuchlich getrennt und wird von den Architekten Feddersen, v. Herder & Partner gesondert eingereicht.
• Die Wohnungen für Behinderte machen insgesamt eine behindertenfreundliche Ausstattung der ganzen Anlagen notwendig. 6 Behindertenwohnungen sind auf diversen Häuser verteilt. 2 WG befinden sich in Haus 6.
• Die Überbauung der Feilnerstraße wird durch den Kauf der darunterliegenden Flächen vom Bezirk möglich. Die Straße wird über den Platz geführt. Durchfahrtshöhen- und breiten entsprechen den Forderungen der Feuerwehr.
• Der Müll wird in zwei Anlagen (je Hof ein Standort) gesammelt, um die Kosten für Einzelversorgung der Häuser klein zu halten.
• Hobbyräume sind am Schinkelplatz in den Häusern 10 und 11 vorhanden.
• Jede Wohnung hat einen eigenen Standort für eine Waschmaschine, so dass auf allgemeine Wasch- und Trockenräume verzichtet würde.
Ausnahmen und Befreiungen:
• Städtebauliche Begründung: Wohnungen im Kerngebiet ist eine aktuelle Zielsetzungen der Stadtplanung für Südliche Friedrichstadt die mit Senat und Bezirksverwaltung abgestimmt ist
• Überschreibung der zulässigen Bebauungstiefe: zum größten Teil realisierte Konzept der Großblockleitung Nord-Süd-Grün macht die ÜdzB notwendig.
• Unterbrechung der geschlossenen Bauweise: Die Teilung übergroßen Baublockes durch Privatstraße ergibt Charakter öffentliches Raumes.
• Zurücktreten von festgesetzten Baulinien (Baufluchtlinie): Anschlussnotwendigkeit an ehemaligen Reichsschuldenverwaltung und Giebelseite Ruine Merkur. Das Zurückbleiben hinter Baufluchtlinie schafft Anlagen Vorgärtner-geforderten Abstandfläche über die Straße hinweg.
• Überschreitung der zulässige Geschoßzahl: Aufgrund Aufnehmen Traufe ehemalige Reichsschuldenverwaltung und Kaufhaus Merkur sowie großstädtische Blockrandbebauung.
• Überschreitung der zulässigen bebaubaren Fläche: Bebauungskonzept
• Überschreitung der zulässigen GFN: Nutzungsmischung von Handel und Dienstleistungen-innerstädtische Funktion.
• Abriss der Rohbauruine Lindenstraße 34: aus Gründen Hofgestaltung und -zuordnung, Anschlussproblematik an die Neubebauung.
• Überbauung und Inanspruchnahme öffentliche Straßenlandes: Die Durchführung Bauvorhabens und Platzgestaltung vorsieht keine Trennung von Fußweg und Fahrbahn.
Block 31
Architekten:
• Haus 1, 5, 8, 11 : Bangert, Jansen, Scholz, Schultes
• Haus 2, 3, 23: Feddersen, v. Herder & Partner
• Haus 4, 18, 20: Ganz+Rolfes
• Haus 6, 10, 13, 15: Benzmüller/Wörner
• Haus 7, 16, Schinkelplatz: Krier
• Haus 9, 12, 14, 21: Brandt, Heiß, Liepe, Steigelmann
• Haus 17, 19, 22: Müller, Rhode & Partner
Die Diskussion über die Errichtung des Blocks 31 wurde 1978 begonnen mit dem Planung eines Preisrichterkolloquium Engerer Wettbewerb für Linden-Ritterstraße Nord in Südliche Friedrichstadt vom Senat Bau- und Wohnungswesen. Im Juni und Juli 1979 wurde Fachcolloquien zum Projekt Ritterstraße Nord mit dem folgenden Themen stattgefunden: Wohnversorgung und Wohnungsnachfragen, Wohnungsvorstellung und Wohnungsgestaltung, Standtort und städtebauliche Konzeption, Wohnumfeldgestaltung. Das Projekt sollte bis Ende 1981 quasi fertiggestellt. Eine Förderung 50.000 DM/Wohnung aus Bonn wurde für die Allgemeinwirtschaftlichkeit gefertigt.
Eine Baubeschreibung der Außenanlagen lautet wie folgend:
Ein vorgelagerter Platz in der Mitte wiederholt sich symmetrisch. Die Feilnerstraße und die Feilnerpassage treffen sich in der Mitte des Blocks: Schinkelplatz. Das Nutzungskonzept beträgt Räume differenziert Staffelung, von öffentliche, halböffentliche und privater Nutzung aus visuelles änderndes Element mit Jahreszeit Hilfe (Rankgittern und -pflanzen an den Fassaden und Vorgärten). Die folgende architektonische gefasste Außenräume: Schinkelplatz (geschlossene städtisches Platz), Feilnerpassage (Vorplatz), Gehirngarten (ehemalige Gefängnishof zu Lehrerkardone), Ringgarten beweisen ein hohes künstlerisches Qualitätsniveau zu erreichen demokratisches Prozess der Aneignung und Nutzung dieser Anlagen.
Das Haus 16 von Rob Krier mit seiner unkonventionellen Raumformen betonte den individuellen vielfältigen Entwurfsansatz in Rahmen der IBA und förderte eine gemischte Finanzierung (sozial und steuergünstig) als Experiment. Rob Krier hat in der Baubeschreibung der Häuser Feilnerstraße 10 und 11 eine Erläuterung der Grundrisstypologie geschrieben: „da IBA, wird anhand eines Grundrisstyps eine formalexperimentelle Variantenseite durchexerziert. Außer den sich wiederholenden oktogonalen Wohnräumen an den Platzecken ist jeder der Wohnräume mit leichten Wandabweichungen verschieden geometrisch gestaltet. Einer der Grundrisse hatte eine skeletteuse Tragstruktur und erlaubt somit eine äußerste Anpassungsfähigkeit. Es soll mit diesem Experiment zudem erforscht werden, welche Variante die größte Wohnqualität erreicht. Es wird angestrebt, dass während des IBA-Jahres 1987 ein volles Geschoß am Platz zur Besichtigung freigehalten und exemplarisch möbliert wird, damit die pädagogische Wirksamkeit dieses Experimentes auch vor Besuchern anschaulich demonstriert werden kann, was bisher leider im Rahmen der IBA nicht geschehen ist.“
Die Wohnanlage Ritterstraße-Nord, ist seit ihrer Errichtung unverändert geblieben, wie man auch durch historischen Fotos feststellen kann, und weist immer noch eine höhe Wohnqualität auf.
Literatur und Quellen:
• Machleidt, Hildebrand (Hrsg.), Städtebaulicher Rahmenplan Südliche Friedrichstadt, Berlin-Kreuzberg, Berlin 1984.
• Kleihues, Josef Paul (Hrsg.), Südliche Friedrichstadt, Berlin 1987.
• Landesarchiv Berlin, IBA Archiv, Akten zu Block 28: B Rep 168 IBA Nr. 438–439, 441, 443–446, 1510–1511, 1517–1520, zu Block 31: B Rep 168 IBA Nr. 1051–1052, 1513–1516.
• Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Bauaktenkammer, Akten: Oranienstraße 99–105, Lindenstraße 36/37, Feilnerstraße 7–12, Gesamtgrundstück Anträge – Schriftwechsel BL 1–425, Lageplan zu Bauanlage 631, Band 1.